Internationale Poetry-Biennale  -  Filmfestival  -  Salon  -  Netzwerk

Samstag, 26. Oktober, 14 Uhr

Ofelia Huamanchumo de la Cuba
(Peru)

⇒ Focus Lateinamerika

Hispanistin, Schriftstellerin, Dichterin. Seit 2001 in München.

Mit dem Gedichtband Fabiola, Lima 1998, wurde sie als Dichterin international bekannt. Letzte Lyrik-Publikationen: Sin Raíces, 2024; Insilio Poético, 2021, De mujeres hembra, 2018, Elixires de Exilio, 2016.

Sie leitet die Münchner Verlagsprojekte Café con Letra (Lyrik auf plaquettes) und die Serie Escolares Multimedia (Kinderliteratur für zweisprachige Kinder).

Ofelia Huamanchumo nahm an zahlreichen Festivals teil und wurde 2022 wurde mit einem Stipendium des Deutschen Übersetzerfonds für ihre Übertragung der Ballade Montezuma von Klabund ins Spanische ausgezeichnet. Im ersten Halbjahr 2024 veranstaltete sie die Lesereihe Café con Letra - Lyrik aus Lateinamerika in München. Im Wintersemester 2024/25 leitet sie als Lehrbeauftragte die Schreibwerkstatt der Iberoromanistik an der Universität Augsburg.

 

Los poetas extranjeros no son castaños
no echan raíces
a lo mucho crecen en macetas
que puedes mover de ventana a balcón
y de balcón a terraza.
Un avocado, una higuera,
una papaya, una yuca.

"Desenraizado voy
sin lengua y sin paisaje,
sentado en una banca de Mangfallplatz
que ahora es mía
y es de Ahmed y de Yusuf
y de Rui y de Ibrahima.
Todos con el sol en la piel
y arenas en las chancletas
y las bocas con resabio a sal
y las manos arrugadas, libradas por azar
de ser manotazos de ahogado.
Disfruten el bosque, lo verde, el cielo bávaro,
exigen los lugareños.
Tengo orejas pero no oigo nada:
me alzo en vilo con el airecito de las tardes
me dejo llevar cual hoja seca
como me rendí a las corrientes marinas".

Ausländische Dichter sind nicht wie Kastanien,
denn sie schlagen keine Wurzeln.
Sie werden zu Topfpflanzen,
die man vom Fenster auf den Balkon
oder vom Balkon auf die Terrasse stellen kann.
Eine Papayapflanze, eine Avocadopflanze, 
eine Maniokpflanze, ein Feigenbaum.       

,,Entwurzelt kehre ich meiner Sprache,
meiner heimatlichen Landschaft den Rücken zu
und sitze nun auf einer Bank am Mangfallplatz,
die jetzt auch mir gehört
und Ahmed und Yusuf
und Rui und Ibrahima gehört sie auch.
Uns allen, mit der braungebrannten Haut
und Sand zwischen den Zehen,
dem Geschmack vom Meersalz im Mund
und  mit vom Wasser verschrumpelten Händen,
welche nur aus Zufall,
nicht zu fahlen Händen der Ertrunkenen wurden.
Genießen Sie den Wald, das Grüne, den bayerischen Himmel!,
verlangen die Einheimischen.
Ich habe Ohren, aber ich höre nichts:
Ich schwebe mit der Nachmittagsluft.
Ich lasse mich treiben wie ein Herbstblatt im Wind
wie als ich mich den Meeresströmungen hingab".

Los poetas extranjeros siguen
escribiendo de este a oeste
ahora sobre papel ecológico
de bosque artificial,
palimpsestos postmodernos de
una angustia sobre la otra
o grabando en audios telefónicos
sus apremios más dolientes.
Los p[r]o[f]etas extranjeros
leen una y otra vez
en tazas de café,
relamiendo, sus pasados mejores
y releen
en unas tacitas de té
sus perfiles más próximos,
que el humo de un shisha o una colilla
confirma, descarta o advierte de nuevo.

"Lejos de los cielos estrellados
no hay astro a quien pueda encomendarme
desOrientado voy, poeta deslenguado,
sin cítara ni laúd con que tararear a la noche
unos versos sin acentos,
alaridos de mutilado de mina,
balbuceos afásicos:
extirpada de raíz mi lengua".

Die ausländischen Dichter schreiben
immer noch von Rechts nach Links,
doch jetzt schreiben sie
auf ökologischem Papier künstlicher Wälder.
Sie schreiben postmoderne Palimpseste
über die eine Qual nach der anderen,
oder zeichnen ihre traurige Stimme auf,
sich erinnernd an ihre schmerzlichsten Zwänge.
Ausländische P[r]o[ph]eten
durchleben immer wieder
aus den Böden ihrer Kaffeetassen
Erinnerungen an eine einst so schöne Zeit,
und sehen in Teeblättern
ihre baldige Zukunft,
die durch den Rauch einer Shisha oder einer Zigarette
bestätigt, verworfen oder gar gefürchtet wird.

,,Weit weg von klaren Sternehimmeln
gibt es hier keinen Stern, dem ich vertrauen kann.
Orientierungslos wandere ich, sprachloser Dichter,
ohne die Saiten meiner Laute, mit denen ich in der Nacht
manchmal Lieder ohne Akzent summen könnte.
Der Trauerschrei eines durch eine Mine verkrüppelten Mannes,
aphasisches Brabbeln:
meine Zunge an den Wurzeln herausgerissen".

 

aus dem Lyrikband Sin raíces / Wurzellos , 2015/2024.
Diese zwei Gedichte wurden auf Spanisch im Gedichtband Insilio poético (Autodestierro, 2001-2021) (München: Epubli, 2021) veröffentlicht.
Übersetzung aus dem Spanischen: Paul Lieb (© 2024 - Paul Lieb).