Internationale Poetry-Biennale  -  Filmfestival  -  Salon  -  Netzwerk

Samstag, 26. Oktober, 16 Uhr

Sabine Gruber
(Italien - Wien / Italy - Vienna)

Sabine Gruber, geb. 1963 in Meran, Italien.

Studium der Germanistik, Geschichte und Politikwissenschaft in Innsbruck und Wien. Lebt in Wien.

Zuletzt erschienen: Am besten lebe ich ausgedacht, Bibliophiler Gedichtband 2022, Die Dauer der Liebe. Roman 2023, Über Nacht, 2024

 

 

Praterstraße
Heißer Frühling

Das Umfeld: Baustelle, zerwühlter Boden,
Für den Rad-Highway. Wir leben in der Ära
Der Korrekturen, der Übeltäterei, das eigene
Bein hinkt, ist schwer wie Blei. In den Fuß
Gelenken wachsen die Kristalle, Torturen der
Versiegelung. Preßluftbohrer singen in der
Rechten Zehe Wehe, wehe, wehe! Wenn ich
An die Zukunft denke. Kein Herz für den Scherz
Hat die Poesie, sie liebt die Fernordnung der
Moleküle, den edlen Schmerz, die Silbenkühle.
Meine Körperdiamanten sind heiß, gemeine
Schmugglerware aus der Hitze. Staub steigt
Und rettet sich in jede noch so kleine Ritze,
Ich kreische leise, lege Eis auf die Füße und
Dichte meine Wörterreise. Schon versetzt
Der Klang mir Hiebe, stechen die Steine. Den
Letzten Schliff kriegen sie im Acheron. Jetzt
Aber trage ich am Glitzer, verhandele noch
Den Preis

Köszeg
Irottkö mit E. 
in memoriam Agota Kristof

Ich wiederhole die Wörter wie die
Zwillinge, sag mir die schönen vor
Bis sie ihre Bedeutung verlieren. 
Liebe mit Haut und Haar. Im Wald
Liegt der augenlose Soldat. Längst
Sind die Raben wieder hungrig, die
Handgranaten geworfen. Wir lieben
Uns an der offenen Grenze. Die Elf-
Uhr-Glocken läuten zum Sieg über
Den Sturmangriff der Türken und
Kuruzen. Wir lieben uns mit Blick
Auf das Gerüstkleid der Kirche, auf
Den kleinen Tisch, Das große Heft.
Der Mangel schafft den Stil. In der
Anderen Sprache fällt alles ab. Auch
Meine Scheu sucht das getreue Er
Zählen, sucht nach dem Geschrieben
Stein, der fernen Erhebung im Fenster,
Den letzten Ausläufern. Es riecht nach
Glücklichem Regen.