Internationale Poetry-Biennale  -  Filmfestival  -  Salon  -  Netzwerk

Sonntag, 5. November, 19 Uhr

 


Jessie Kleemann
(Grönland / Greenland)

Geboren in Upernavik, Grönland. Performancekünstlerin und Dichterin. Ausbildung zur Grafikerin und Schauspielerin am Tuukaq Theater in Dänemark, leitete die Nuuk Art School und arbeitete mit der internationalen Performancegruppe The Wolf in the Winter zusammen. Sie ist bekannt für ihre Videos, Installationen und Performances.

In diesen untersucht sie verschiedene Ethnozentrizitätsdiskurse, die das Selbst der grönländischen Frau geprägt haben, sowohl im Ausduck der Körper als auch im Blick, die das weibliche Andere stigmatisieren würden/könnten. Kleemann experimentiert mit Robbenspeck, Fleisch, Fisch, Faden und Perlenherstellung als Kostüme und widerspricht der schicken europäischen (Aus-)Kleidung, einem heftigen kulturellen Statement als „Dekonstruktion der Kunst der Grönländer/Dänen. Eine Erforschung der postkolonialen Ästhetik, die die Essenz dessen abstreift, was früher vom kolonisierten Geist definiert wurde, die Präsenz ist das, was übrig bleibt, ein drittes Wir.“

Ihre Monographie Jessie Kleemann – Qivittoq erschien 2012, ihr letzter Gedichtband Arkhticós Dolorôs erschien 2021, in einer Mischung aus Kalaallisut (grönländisch), dänisch und englisch.

jessiekleemann.com/

Born in Upernavik, Greenland. Performance artist and poet. Trained as printmaker and actress at the Tuukaq Theatre in Denmark. She created videos, installations and performances, headed the Nuuk Art school and worked with the international performance group The Wolf in the Winter.

In her performances she explores various discourses of ethnocentricities marked on the greenlandic woman‘s self, in the bodily expressions as well as the gaze which would/could stigmatize the female Other. Kleemann experiments with seal blubber, meat, fishes, thread and beadmaking as costumes, contradicting the fancy european (un-)dressing, a fierce cultural statement „deconstructing the art of the Greenlandic/Danish.

An exploration of the postcolonial esthetics, stripping off the essence of what used to be defined by the colonized mind, the presence is what’s left, a third We.“

Her monography Jessie Kleemann - Qivittoq came out in 2012, her latest poetry collection Arkhticós Dolorôs was published in 2021, in a mix of Kalaallisut (Greenlandic), Danish and English.

jessiekleemann.com/

Foto videostill/schamrock

 

Hätt ich doch Flügel

Hätte ich doch nur Flügel
Flügel wie Engel sie haben
dann könnte ich fliegen weit über Meere und Flüsse Berge und Wüsten
Ich bitte meine Seele dass sie mir ihre Flammen leiht ich brauch sie nur für eine kurze Weile
ich möchte gehn in meiner eigenen Glut
Ich möchte starke Flügel haben
stärker als Vogelflügel sind
ich brauche Flügel weit und endlos wie der Raum und lang wie die Geschichte
Ja hätte ich doch Flügel gemacht aus Lehm und Feuer Purpur und Gold Silber und Zinn
Eisen und Diamanten
Flügel schwer und leicht zugleich
Ich möchte Flügel haben weit übers Universum
mich zu spannen
dass allerorten ich könnt ein Laib Brot sein in der Hand von einem kleinen Kind das Hunger hat
ein Taschentuch die Tränen abzuwischen einem Kind das trauert
ein Lächeln die nächtliche Angst zu brechen
ein Gesang eines verirrten Beduinen
der für eine Friedenskarawane singt

 

Aus dem Gedichtband: "Vulkanwort auf dem Leib aus Schnee" 2021
aus dem Englischen von Christa Schuenke

 

I wish I had wings

I only wish I had wings
With wings like those of the angels
that I can fly over seas and rivers
hills and deserts
I ask my soul to lend me her flames
I need that only for a short while
I want to walk in that glow for me
I wish to have powerful wings
stronger than the wings of birds
I need wings as vast as infinite space
as long as history
Yes I wish I had wings made out of clay and fire
purple and gold silver and tin
iron and diamonds
such wings which are heavy and light
I wish to have wings to suspend me over the universe
in which I can be everywhere a loaf of bread in the hand of a starved infant
a handkerchief wipes of tears from a bereaved child
a smile breaks night’s fear
a hymn of a lost Bedouin
entertains a peace caravan