Internationale Poetry-Biennale  -  Filmfestival  -  Salon  -  Netzwerk

Anja Utler
(Leipzig)
Samstag, 24. Oktober, 18 Uhr

live - whiteBOX München

Foto Martin Richartz

Anja Utler, *1973 in Schwandorf, lebt nach Jahren in Wien, Regensburg und Prag derzeit in Leipzig. Mit den Mitteln gesprochener und geschriebener Poesie bearbeitet sie etwa Fragen der Ökologie oder der Wissensweitergabe zwischen den Generationen. Außerdem schreibt sie Essays, übersetzt (u.a. Anne Carson und Mila Haugová) und hat zur Lyriktheorie publiziert.

2020 erschien ihr poetischer Monolog kommen sehen. Lobgesang in der Wiener Edition Korrespondenzen. Anja Utler wurde für ihre Arbeit vielfach ausgezeichnet, zuletzt war sie Thomas-Kling-Poetikdozentin an der Universität Bonn, 2020 bekam sie den ersten Lyrikpreis der Südpfalz zugesprochen.

Anja Utler leitet den ⇒ Workshop Ansprechend ansprechbar?

Anja Utler, *1973 in Schwandorf, currently lives in Leipzig after spendiing years in Vienna, Regensburg and Prague. Using spoken and written poetry, she works on issues relating to ecology or the transfer of knowledge between generations. She also writes essays, translates (including Anne Carson and Mila Haugová) and has published on poetical theory.

In 2020 her poetic monologue coming seeing. song of praise appeared in the Edition Korrespondenzen, Vienna. Anja Utler has received numerous awards for her work, most recently she became the Thomas Kling Poetics Lecturer at the University of Bonn, and in 2020 she was awarded the first poetry prize of the South Palatinate.

Man konnte die Sonne ich   konnte die Sonne ja
kommen sehen   sagt sie   als sie alt ist   die Tochter hat

wieder   etwas zu tun keine weiß   was das ist
sie rennt hin und her   in dem Sandloch in das

kein Gras sich mehr setzen wird dort   spielen die Mädchen
keine weiß was und sie sagt

Es hat gefaucht   schon im Jahr vorher   Da
bleibt die Tochter kurz stehen   Und dann waren die drei

Jahre Sommer

Denkt Wie die Tochter nicht recht hat weil sie genau das   sagt
was sie sagen will   und nicht   was sie sagen soll   oder

müsste   dabei   waren drei Jahre Sommer genug
zu verstehen wie selten   müssen und wollen sich

decken   und auch   wie wollen zwei Schenkel hat einer heißt
Darf schon und einer   heißt Nicht! das   lag auf einmal so

nackt auf der Erde dass eine glauben konnte   die
Bäume seien nur deshalb vertrocknet dass man bei

höchstem Sonnenstand und bei keinem Laub   Dieses sieht   Es
ist erst Ein Stamm   gefasst   in sich Und sein Zweck ist er teilt

sich   und dann haben beide   eine Vergangenheit    sind
fortan geschiedene Sachen   Und eine   hält sich dran

fest   Und kaum einer   denkt sie   Und wie   deshalb schon sein
kann dass sie   wo ist wo sie sagen darf was sie will

nur dass die Tochter   egal ob sie sollte   nicht alles
gesagt kriegen möchte   und nicht so viel Bloß   etwas

muss sie   Das   Vielleicht nicht gleich jetzt

Und denkt   sich dass sie das   noch sicherstellen will Dass das
irgendwo steht   Wie es eine Freiheit ist   gehen   an

einem beschiffbaren Sommertag   und der Wind streicht   so
dass eine sich denken kann   es geht das Hirn in ihm wie

er lässt das Hirn   in sich gehen wie Pappelblätter   sehr
viele und zitternd ein   dichtes Geraschel aus Schatten

Silber verwildertem Licht   Das   soll irgendwo stehen
Was   dann verloren ist   wenn sich so ein Vergleich nicht mehr

ziehen lässt weil er mit viel zu viel   Abrieb   Wundrieb ver-
bunden ist

aus: Anja Utler. kommen sehen. Lobgesang. Edition Korrespondenzen: Wien, 2020.