Internationale Poetry-Biennale  -  Filmfestival  -  Salon  -  Netzwerk

Irene Suchy
(Wien)
Freitag, 23. Oktober, 14.30 Uhr

live - whiteBOX München

Irene Suchy (*1960 in Wien), hat Studien der Musikwissenschaft und Germanistik in Wien und Tokyo absolviert. Sie ist Musikredakteurin bei Radio Ö1, Ausstellungsmacherin, Moderatorin, Dramaturgin und Lehrbeauftragte an internationalen Universitäten. Sie hat Publikationen herausgebracht zur neueren Musikgeschichte, über Paul Wittgenstein, Otto M. Zykan und Friedrich Gulda, zur Geschichte der abendländischen Musik in Japan, zu NS-Verfolgten und zur NS-Musikexilgeschichte, zu feministischer Musikologie. Und 2013 erschien in der Edition Ausblick Henzes Utopie. Jugend. Musik. Fest. in der Bibliothek der Provinz der Gedichtband Litanei gottloser Gebete.

Irene Suchy (*1960 in Vienna), studied musicology and German literature in Vienna and Tokyo. She is music editor at Radio Ö1, exhibition curator, presenter, dramaturge and lecturer at international universities. She has published on recent music history, on Paul Wittgenstein, Otto M. Zykan and Friedrich Gulda, on the history of western music in Japan, on victims of Nazi persecution and on the history of Nazi music exile, and on feminist musicology.

In 2013, Henzes Utopie. Jugend. Musik. Fest. and the collection of poems Litanei gottloser Gebete (Litany of ungodly prayers).

Es gab keinen Ort für mich.
Der Korb, verstellt in die Küche, als Bett-Statt,
das Fensterbrett als Arbeitstisch,
die Mauernische als Garderobe,
das Bett als Trösterin,
die Tuchent zu kurz,
die Decke übertragen,
das Gewand abgelegt,
der Abort als einzig erlaubte Abgrenzung.
Es gab keinen Platz, ich nahm schon zuviel.
wir räumen dir keinen Platz ein
dir ist keine Welt,
du passt nicht hinein,
du entziehst dich uns, rutscht durch,
im Zwischenraum, Zwischenwelt.

Ich will nicht zum Caritas-Frühstück gehen, weil ich
krank bin.
Ich kann auch eine halbe Stunde nicht gehen, weil ich
krank bin.
Ich kann auch nicht, wenn Sie mich mit dem Auto abholt
und wieder heimbringt.
Meine Krankheit ist kein Problem, sie ist nicht lösbar von
mir.
Ich bin auch eine halbe Stunde nicht von meiner Krankheit
lösbar.
Ich will keinen Saft aus dem Keller.
Ich will nicht sagen, warum ich ihn nicht will.
Ich will nicht begründen, warum ich ihn ein halbes Jahr
zuvor wollte.

Ich will nicht wollen, was du von mir willst.

Weil mir kein Nest war, wuchsen Flügel.
Übergroß und unförmig erst
Gebildet aus Sehnsucht und angetrieben von der Neugier
Ungelenk bewegt
Flattrig störendFehlgesteuert auffliegend
Unerwartet landend
Vertreibend die Nahekommenden
Unbegreifbar und verletzend
Unbelehrbar und ungeschickt
Unerziehbar in ihrer Einzigartigkeit
Vorbildlos unermutigt
Unumgänglich ungangbar
Irritierend die am Boden Gehenden
sich losreißend beim geringsten Hauch
Unhaltbar haltlos
Verstörend zusammenhanglos
Überspringend die Gedankengänge der Gehenden
Verloren im Wegesdickicht
Unverwandt den Flügellos Gehenden
Verbunden den Auffliegenden
Leitbildlos unverführbar
In den Bodengängen orientierungslos
Abstoßend in den unhandlichen Auswüchsen
Dauerte es lange
Bis sie als Teil des Körpers verstanden wurden.
Das Kind sollte beschnitten werden
Begradigt der Auswüchse
Normiert in seiner Besonderheit
Verändert, beraubt, verformt.
Die Flügel schwebten hinan, wollten an einen Gott glauben,
an verwandte Seelen.
Wurden mehr und mehr mir eigen,
sich anlegend fast unsichtbar
nicht stören wollend
unaufdringlich
bereit zum Auffliegen
weil sie nie ein Nest gekannt.