Internationale Poetry-Biennale - Filmfestival - Salon - Netzwerk
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Katrin Freiburghaus ist studierte Literaturwissenschaftlerin und eigentlich Sportjournalistin, hat aber manchmal keine Lust oder nicht genug Geduld, um Rücksicht darauf zu nehmen, wie das Spiel ausgeht. Sie denkt sich dann ein eigenes Ende aus.
Und einen eigenen Anfang. Und ein anderes Spiel.
Das Ergebnis singt und liest die gebürtige Berlinerin seit 2015 auf Bühnen im deutschsprachigen Raum mit Schwerpunkt Bayern vor. Dabei wechseln sich Geschichten über linguistisch relevantes Obst, Rebellion und das schöne Gefühl, gut gelaunt schlechten Kuchen zu essen, mit Liedern zwischen Weltraum und politischen Keksrezepten ab.
Die Autorin lebt in München. Die Kinder in ihren Liedern und Geschichten sind echt..
Poetry for Future mit Münchner Slam Poetinnen / Poetry for Future with Munich Slam Poets
Katrin Freiburghaus holds a degree in literary studies and is actually a sports journalist, but sometimes doesn't feel like it or doesn't have enough patience to care about how the game ends. She then invents her own ending.
And a beginning of her own. And another game.
Born in Berlin, she has been singing and reading the results on stages in German-speaking countries with a focus on Bavaria since 2015. Stories about linguistically relevant fruit, rebellion and the nice feeling of eating bad cake in a good mood alternate with songs between space and political cookie recipes.
The author lives in Munich. The children in their songs and stories are real ..
REBELLION!
Mein kleiner Sohn starrt gebannt auf unseren Fernseher. Wir haben bei der Leichtathletik-WM Weitsprung geschaut, nun werden die 1500-Meter der Frauen übertragen. Ein Großteil der Strecke ist gelaufen, seine Anspannung mit jedem Meter gewachsen, er schweigt konzentriert. Als die letzte Runde eingeläutet wird, ist die Ungeduld in ihm aber offenbar auf eine Größe angeschwollen, für die in einem vierjährigen Körper zu wenig Platz ist, so dass er entnervt ruft: "Wann springen die denn jetzt endlich ab?"
Beide Elternteile des Kindes sind, nun ja, Sportjournalisten. Ich habe mich damit abgefunden, dass meine Cousine im Sommer jedes geraden Jahres zuverlässig zuerst sich und anschließend mich fragt, ob der Torwart beim Fußball bei den elf Spielern schon dabei sei oder extra zähle. Aber die eigenen Kinder... Wir werfen uns betretene Blicke zu und sind uns einig: Es geht los. Dies ist die Pubertät. Er rebelliert. Nachdem ich am Abend damit fertig bin, mir vorzustellen, wie sich mein Sohn wohl einen Anlauf beim Weitsprung vorstellt, fange ich an, darüber nachzudenken, wie ich mir Rebellion vorstelle.
Als ich rebellierte, schwor ich mir, später cooler zu sein als meine Eltern. Ich würde meinen Kindern nicht verbieten, sich Löcher in Jeans zu schneiden oder bis in die Nacht Fußball zu gucken, obwohl sie vom selben Spiel schon zwei Zusammenfassungen gesehen hatten. Ich war mir sicher: Ich würde spannend finden, wenn mein Sohn das Haar lieber lang trüge, es wäre mir auch egal, wenn sein Schreibtisch aussähe, wie es mein eigener bis heute tut, und ich muss mich loben: Bisher habe ich das alles sehr gut hinbekommen. Ich leihe mir bei meinem großen Sohn Haargummis, und er geht mit einem Bademantelgürtel um die Stirn auf den Spielplatz, wenn er sich gerade wie Yoda fühlt.
"Super, Freiburghaus!", denke ich also, "du bist so cool!" Ehe etwas in mir hinzufügt: "Aber du hast leider nicht verstanden, was Rebellion ist." Denn Sachen zu machen, die die keinen aufregen, ist es schon mal nicht. Deshalb ist ja auch das unverwüstliche Argument so niedlich, junge Menschen, die ihre Schulpflicht bestreiken, sollten das doch gefälligst samstags tun, um zu beweisen, dass es ihnen wirklich ernst mit dem Einsatz für ihren Heimatplaneten ist - Rebellion nach den Regeln des Systems, gegen das man rebelliert.
Dieser Empfehlung zu folgen, wäre nicht nur bescheuert, sondern kulturhistorisch betrachtet auch schade. Wenn Prinzessin Leia bei Darth Vader beispielsweise Akteneinsicht beantragt hätte, statt Mads Mikkelsen die Pläne vom Todesstern klauen zu lassen, um durch ihren langen juristischen Atem zu beweisen, dass es ihr mit der Rebellion gegen die Sprengung ihres Heimatplaneten wirklich ernst war... - dann wäre das George Lucas vermutlich nicht Recht gewesen. Er hat mit dieser Form des Ungehorsams nämlich ziemlich viel Geld verdient und damit später eine Reihe sinnvollerer Filme gedreht.
Zudem hat sich Rebellion als Impulsgeber um den Fortschritt verdient gemacht. Sich zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts gegen fortbestehende Nazistrukturen aufzulehnen, war zum Beispiel durchaus sinnvoll - und in manchen Teilen dieses Landes sogar leidlich erfolgreich. Auch für selbstbestimmte Sexualität einzutreten, diente mutmaßlich nicht ausschließlich dazu, Senioren zu erschrecken.
Man mag nun einwenden, wie wahnsinnig kompliziert alles sei, dass sich niemand mehr auskenne, man irgendwann gar nichts mehr dürfe und eben schlecht erraten könne, ob man junge Menschen denn nun ernst nehmen oder beschimpfen solle. Dabei genügt eine erste grobe Unterscheidung in inhaltlich relevante Rebellion und Rebellion um ihrer selbst Willen meist schon völlig, um als Erwachsener adäquat - also erwachsen - reagieren zu können und sich nicht lächerlicher zu machen als nötig.
Formaler Rebellion, also Dingen wie schimmligen Pausenbroten im Bettkasten oder Bushido, kann man mit Kritik begegnen; gerne auch ein bisschen aufbrausend, sofern man den Drang nach Abgrenzung beim Nachwuchs schnell befriedigt wissen will, weil das Popcorn alle ist. Man kann auch betont gelassen reagieren, wenn einen die nächste Eskalationsstufe interessiert - das ist eine Geschmacksfrage.
Inhaltlich relevante Rebellion ist dagegen aufreizend leicht an ihrer inhaltlichen Relevanz erkennbar. Sie führt im Idealfall zum Überdenken von Verhaltensmustern - womöglich sogar der eigenen - und muss keinen Gesichtsverlust beinhalten. Wenn man Zustimmung partout nicht übers Herz bringt, weil man sich sorgt, dass einem davon der Penis abfallen könnte oder der Porsche in der Garage auseinander oder die Staatsangehörigkeit aus dem Personalausweis, dann macht das nichts. Man kann sein Verhalten auch unauffällig anpassen.
Indem man zum Beispiel den Porsche gut sichtbar in der Einfahrt parkt, aber mit dem Fahrrad zum Bäcker fährt.
Oder indem man eine Frau in der U-Bahn schön findet, ihr aber trotzdem nicht ungefragt an den Busen langt.
Oder indem man ein echter Deutscher ist, ohne auf Demonstrationen Morddrohungen gegen Migranten, Kinder und Journalisten zu brüllen.
Vorbereiten kann man sich auf den Moment, in dem die Rebellion zum ersten Mal ins eigene Leben einbricht, dagegen kaum. Bei uns schlich sie sich auf Stopper-Socken herein, als die Kinder wie Störche über herumliegende Fußbälle stiegen und ihnen Hüte bastelten, anstatt dagegenzutreten. Wir haben leichtsinnig reagiert, indem wir darüber lachten. Mit dem Ergebnis, dass der Große jetzt zum Jui Jitsu geht, weil er die Gürtel so geil findet, und sich der Vierjährige mit zwei Springseilen selber das Häkeln beigebracht hat.
Aber vielleicht kriegen wir das ja beides einfach noch irgendwie olympisch.