Ursula Haas

IM BLAU
Der Münchner Maler Kurt Merk (1924-2012)  

Kopflose Beine. Dein schiefer, spitziger Berg
in der Toskana. Bewegung auf Leinwand und Blatt
Du nimmst die Farbe aus dem Wasser des Sees und
aus dem weißen Schatten des Neumonds. Nie fällst
du aus dem Rahmen deiner Gestimmtheit: Blau

Dein Blau fragt nicht. Dein Blau ist
Das Glück des fliegenden Augenblicks
Das Sehnen nach zarter Erfüllung
Das Hoffen auf Unendlichkeit
Von kühler Schönheit stellt die Farbe sich dar
Ohne Eitelkeit, ohne Anspruch auf Macht, auf
falsche Männlichkeit, Gewalt

Meine Wände im Haus erzählen von deiner Erfüllung:
Deine Bilder sagen Guten Morgen, Hab eine friedliche Nacht,
meine Liebe war schön. Nimm den Elefanten aus meinem
Bild und reite über unseren Regenbogen. Das Ende ist
immer offen. Das blaue Ziel

Unter Kirschblüten 

Es ging der Frühling
entlang. Die Blüten
auf den Leib geschrieben
fallender Schmerz in Jade
zerbrechlich gefangen
Hinter dem Schloss eine Runde
wilder blühender Kirschen
Hand in Hand die Baumzarten
verfangen in der Pracht ihres
Taj Mahal. Ich warte, bis ein
Segen in weiß, sich aus dem
Bild ins Leben getraut
der Neumond meiner Worte

Für Peter Jonas*  

Der Weg zu sein
gegen  die Angst
laufen
jeden Morgen, wenn
die Stunde schlägt
der ausgetrocknete Kanal
die verhängten Steine
Schönheiten warten
auf ihre Zeit
Xerxes und Amastris
Jenufa und Toska
nur der Schönheit
weihte ich mein Leben
die Augen werd ich dir
mit tausend Küssen
schließen. Angst sprengt
Horn und Cello im Ohr
laufen
ins Leben laufen
auf der Ferse der Tod
laufen heute
wieder weiter
Vogelflug in den Tag
nympheische Kraft
meine Oper
meine Musik
das Spiel
zu laufen
ohne Ende
ohne Tod
heute im Park


* In einem Interview mit Sir Peter Jonas (1993-2006 Staatsintendant der bayerischen Staatsoper) in der Süddeutschen Zeitung las ich, dass er jeden Morgen eine Stunde durch den Nymphenburger Park lief, um seine Krebserkrankung nicht wieder auftauchen zu lassen.