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__Süddeutsche Zeitung, 23. Oktober 2012 | |
Biografisches, Englisches, Elegisches München ‑ Das Wagnis hat sich wirklich gelohnt. Ruth Klüger ist anfangs skeptisch, ob ihre Gedichte, ergänzt mit subtilen biografischen Anmerkungen, den Zuhörerinnen gefallen werden. Aber die reagieren sehr begeistert auf ihre souveräne und trotzdem anrührende Lesung beim Festival der Dichterinnen 2012. Ein gelungenes Experiment, wie sich Klüger später freut. Aber das gilt auch für die übrigen Veranstaltungen, zu denen die Autorinnen Augusta Laar, Alma Larsen und Sarah Ines in die Pasinger Fabrik geladen hatten. Gedichte seien haltbarer als Prosa, sagt Ruth Klüger eingangs. Man brauche bloß nicht so viele davon, da man sich mit jedem Exemplar einzeln anfreunden müsse. Die 81‑Jährige hat sich in ihrem Leben mit vielen Gedichten angefreundet. Knapp sieben Jahre war sie alt, als die Nationalsozialisten Österreich vereinnahmten und sie begann, sich mit Worten und Versen zu beschäftigen. Ständig rezitierte sie Gedichte, unentwegt wie eine Besessene, auch in den Konzentrationslagern. Poesie als rettendes Geländer. Und oft, sagt sie im Gespräch mit Rachel Salamander, habe sie darin Dinge verarbeitet, die sie eigentlich verdrängen wollte. "Aber das habe ich dann erst später gemerkt." Die Autorinnen, die unmittelbar nach ihr lesen, haben es schwer. Tanja Dückers aus Berlin ändert gleich mal die Reihenfolge und liest zuerst ein Gedicht, das sie für Emily Dickinson geschrieben hat, weil Klüger diese Dichterin ebenfalls schätzt. Erst Martina Hefter aus Leipzig gelingt es mit ihrem lyrischen Katalog aus Alltagsbewegungen, das Publikum aus der Klüger‑Verzauberung zu lösen. Das letzte Wort am Samstagabend übernimmt Augusta Laar mit ihrer Band Kunst oder Unfall, wunderbare Musiker, die zwischen Plattenspieler und Spielzeug Free Jazz improvisieren. "Immerzu wachsen Worte im Mund", liest Barbara Yurtdas am Sonntagnachmittag vor, "ein Keimen und Quellen". Trotz strahlender Herbstsonne draußen ist die Kleine Bühne wieder ordentlich gefüllt. Laar kommentiert im Vorbeihuschen zufrieden: "Ich bin erstaunt, dass es funktioniert!" Später, am Abend, wird die Österreicherin Marlene Streeruwitz zum Abschluss des Festivals sprechen, jetzt jedoch quillt und keimt es vor allem aus den Mündern von Münchner Poetinnen ‑ und der Gegensatz zwischen den Generationen wird dabei offensichtlich. Die ältere Generation ist mit Yurtdas, Katharina Ponnier, Ursula Haas, Asta Scheib und Alma Larsen vertreten. Mal tragen sie am Stehpult vor, mal neben dem obligatorischen Wasserglas sitzend. Das Themenspektrum reicht von der Liebe bis zum Tod; schlichte, dem Alltag abgelauschte Momentaufnahmen sind zu hören, aber auch Bildungsgeschwängertes im hohen Ton. Wie anders die Jungen! Stephanie Müller und Laura Theis, die ihr Projekt "Beißpony" nennen, machen ihren Auftritt zur Performance, bei der auch das Publikum einbezogen wird. Die Bühne sieht aus wie eine Mischung aus Kinderzimmer und Bastelstube. Theis sitzt am Klavier und singt Englisches, mehr oder weniger Elegisches. Müller, einen Stoffpapagei auf der Schulter und in lustigen Zacken‑Strümpfen, bedient dazu mit stoischem Lächeln diverse Gerätschaften. Mal lässt sie eine Schreib‑, mal eine Nähmaschine rattern, sie zupft auf einer Skateboard‑Gitarre und lässt ein Plastikschwein ins Mikro grunzen. Ziemlich viel Blödsinn also ‑ und die schöne Erkenntnis: Lyrik darf einfach nur Spaß machen. SABINE REITHMAIER, ANTJE WEBER |
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__Münchner Merkur, 23. Oktober 2012 | |
Dichterinnen feiern ein Lesefest Wie ist die Dichterin von heute? Welches Bild vermittelt eine Lyrikerin des 21. Jahrhunderts der Gesellschaft? Wer von Freitag bis Sonntag den Weg zum 1. Schamrock‑Festival der Dichterinnen in der Pasinger Fabrik gefunden hat, dürfte auf diese Fragen mehr als genügend Antworten erhalten haben. Denn dort feierte die weibliche Dichterzunft ein Lesefest. Bekannte Autorinnen und Neuentdeckungen waren es, die die Künstlerin, Autorin und Musikerin Augusta Laar eingeladen hatte, ihr Repertoire in Lesungen, Vorträgen, Diskussionen und Workshops zum Besten zu geben. Auch Filmvorführungen und sogar Auftritte von Livebands standen auf dem Programm. Mit ihrem Gedicht "Feuerpause" gab die Österreicherin Birgit Müller‑Wieland einen Einblick in ihren neuen Lyrikband, der demnächst erscheinen wird. Die Brüchigkeit der Natur und deren scheinbare Unversehrtheit ist es, die die seit sechs Jahren in München lebende Autorin zum Thema macht. In "Feuerpause" hat sie ihre Erlebnisse mit dem Vesuv verarbeitet, der für sie das Sinnbild der menschlichen Existenz darstellt. "Er tut so harmlos, ist aber im Untergrund stets aktiv und wird irgendwann wieder ausbrechen", bringt es die Dichterin auf den Punkt. Mit einem witzigen Einstieg nahm die jüdische Lyrikerin Ruth Küger die Zuhörer gleich für sich ein. Die 1947 in die USA ausgewanderte Anglistin und Germanistin ist Trägerin des Lessing‑Preises und des Bundesverdienstkreuzes und blickt auf eine bewegte Vergangenheit mit Deportation ihrer Familie während des Zweiten Weltkriegs und einem späteren Leben als alleinerziehende Mutter zweier Kinder zurück. Mit der These "Gute Leser geben zu, dass sie Lyrik manchmal nicht verstehen", eröffnete die 81‑Jährige ihren amüsanten und doch bewegenden Vortrag. Mit Gedichten müsse man sich anfreunden, deshalb brauche man davon auch weniger als von Prosa. Eine Dichterin freue sich zudem, überhaupt gelesen zu werden, sie erwarte allerdings nicht, auch noch verstanden zu werden. Mit einem Augenzwinkern gab die Dichterin dann Kostproben ihres Werks, einer Mischung aus "österreichischer Erinnerung und amerikanischer Kinderkultur". Dabei lag der Schwerpunkt auf ihrer Mutterzeit und den entsprechenden Erlebnissen mit ihren zwei kleinen Söhnen. "Als mein jüngster vier Jahre alt war, hat er einmal Häuser gemalt, die der Wind wegblies." Im Kontrast dazu habe er seine Mutter dargestellt, die diese Bauwerke festhielt. ,Die abgebrochenen Reime betonen die Instabilität meines damaligen Lebens", erklärte Ruth Klüger. VON MARTINA SCHEIBENPFLUG |
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__Sueddeutsche Zeitung, 19. Oktober 2012 | |
Frauen‑Schwarm München ‑ Der Hauch von einer Stimme scheint aus den Tiefen des Weltalls zu kommen. "Der große Stern fällt auf mich zu", wispert diese Stimme, von sphärischen Gitarrenklängen umspielt, "lass mich nicht los, ich gehe von selbst". Es rauscht, sie haucht, dann ist es aus. Augusta Laar hat dieses Gedicht aus ihrem Band "weniger stimmen" für eine CD gelesen, begleitet von"Kunst oder Unfall". So heißt ein gemeinsam mit ihrem Mann, dem Klangkünstler Kalle Laar, betriebenes Musikprojekt. Grenzüberschreitungen sind bei den beiden Programm ‑und so ist es keine Überraschung, dass die Musikerin, Künstlerin und Lyrikerin Augusta Laar für sich gleich noch eine weitere Berufsbezeichnung parat hat: "Ich sehe mich als Kommunikatorin." In dieser Funktion bringt sie jetzt mehr als 40 Lyrikerinnen in der Pasinger Fabrik zusammen, beim ersten "Schamrock‑Festival der Dichterinnen". Klingt nach einer kühnen Idee. Und die Umsetzung, so versichert Augusta Laar, erfordert einigen Mut. Seit zwei Jahren plant Laar das Festival, unterstützt von Alma Larsen und Sarah Ines Struck, und von Anfang an hat sie dabei groß gedacht. So hat sie zugkräftige Namen wie Ruth Klüger und Marlene Streeruwitz gewinnen können; an einen Auftritt von Streeruwitz, vor vielen Jahren an der Wiener Schule für Dichtung, erinnert sie sich noch heute: "Da hat sie im Wasser sitzend Gedichte vorgetragen." Augusta Laar liebt solche Experimente. Sie ist selbst stark von der Wiener Schule der Dichtung beeinflusst, die wiederum von Beat‑Autoren wie Allen Ginsberg und Aktionskünstlern wie Christian Ide Hintze geprägt wurde. Sie hat dort gelernt ‑ zum Beispiel 14 Tage lang im Dunkeln zu schreiben ‑ und gelehrt: "Schreiben im Puff" unter anderem, "das war toll!" Junge Lyrikerinnen von heute findet die 57‑Jährige, immer noch mädchenhaft zart wirkende Multi‑Künstlerin hingegen nicht experimentell genug. Sie seien "zu akademisch, zu konzeptuell, zu distanziert"; zu sehr geprägt vom Handwerk, wie es am Leipziger Literaturinstitut geübt werde. Beim Schamrock‑Festival werden jedenfalls die unterschiedlichsten Töne angeschlagen, soll das Spektrum von der "sehr philosophischen Lyrik" einer Tamara Ralis bis zum Projekt "Beißpony" reichen: "Die treten mit verstärkter Schreibmaschine auf und sind so'n bisschen aktivistisch." Dass die Jungen immer stärker auf Performance setzen, erklärt Laar mit dem Zwang zur Selbstdarstellung: "Lyrik kauft niemand. Man muss die Leute zu den Lesungen kriegen." Der Siegeszug des Rap habe geholfen, die Wortkunst auch bei Jugendlichen populär zu machen: "Plötzlich ist es 'Spoken Word' und nicht mehr Lyrik." Doch noch immer spielen auf der Bühne wie in den Büchern Männer die Hauptrollen. Als Laar vor drei Jahren anfing, zunächst mit Gabriele Trinckler einen regelmäßigen Schamrock‑Salon einzurichten, war dies der entscheidende Impuls: "Uns war es zu wenig, was von Frauen auf dem Markt ist. Der Frauenanteil in Anthologien lag bei fünf bis 15 Prozent ‑ und das ist leider immer noch so." Warum sich so wenig ändert? "Der Künstlerbegriff ist männlich geprägt", sagt Laar, "der geniale Künstler ist ein Mann." Und sie erzählt die so lustige wie traurige Anekdote einer Freundin, die sich bei einem österreichischen Wettbewerb als junger ostdeutscher Poet ausgab ‑ und prompt den ersten Preis gewann. Doch Laar ist auch kritisch gegenüber dem eigenen Geschlecht: Viele Frauen nähmen die Sache nicht ernst genug, sagt sie, sähen ihre Kunst eher als Hobby. Auch sie selbst verdient ihren Lebensunterhalt, indem sie 35 Klavierschüler unterrichtet. Anders wäre es auch nicht möglich, ehrenamtlich ein Lyrik‑Festival zu stemmen. 30 000 Euro hat Laar zusammengekratzt, Förderungen in fünf Ländern beantragt, auf Ämtern in München und Wien gebettelt. Kooperationen wie mit dem Münchner Lyrik Kabinett haben geholfen ‑ und all die vielen Kontakte ihres Dichterinnen Netzwerkes. Dabei hat Laar festgestellt: "Frauen sind nicht die besseren Menschen ‑ aber sie können sehr toll zusammenarbeiten, wenn sie sich dafür entscheiden." Die Finninnen sind darin offenbar besonders gut. Deren Literaturamt hat die Entsendung von sieben Lyrikerinnen zugesagt ‑ für 2014. Auch die große alte Poetin Friederike Mayröcker hat versprochen, dann dabei zu sein ‑ in Wien. Für Laar ist damit klar: Es wird in zwei Jahren ein weiteres Festival geben, dann eben in München und Wien, mit Mayröcker und mit sieben Finninnen. "Es ist wie ein großer Traum", hatte sie zu Beginn des Gesprächs über ihr Festival gesagt, "wie ein großes Kunstprojekt." Und sie macht den Eindruck, als ob sie aus diesem Traum nicht so schnell aufwachen wolle. ANTJE WEBER |
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__Sueddeutsche Zeitung, 18. Oktober 2012 | |
Die Zärtlichkeit einer Grapefruit und andere Gedichte Dieses Arbeitszimmer! Was für ein unglaubliches Chaos aus Papier‑ und Bücherstapeln, aus Stiften, Briefen, Tüten, Pullis, Plastikkästen. Mitten drin: Friederike Mayröcker, die große alte Dame der österreichischen Lyrik. Sie setzt eine Brille auf und beginnt zu lesen, in ihrem leicht leiernden, wienerisch weichen Singsang: "Ich meine bin Konstruktivistin bin Simulantin", liest sie, "Amsel an meiner Seite hatte Träne im Aug und Pelz", liest sie, und: "bin hingerissen in eurer mitte". |
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__Münchner Feuilleton, Oktober 2012 | |
Lyrik in München, wie sie lebt und rockt Die Zeitschrift »Das Gedicht« feiert Jubiläum und auf dem 1. Schamrock Festival der Dichterinnen lesen, performen und diskutieren renommierte Dichterinnen aus aller Weit. Glaubte man den Literaturseiten der Tages‑ und Wochenzeitungen dieses Landes, dann könnte man den Eindruck gewinnen, die Lyrik spiele im Grunde keine Rolle mehr. Zwar wird hier und da und hin und wieder ein Gedicht abgedruckt, an einer kritischen Auseinandersetzung jedoch mangelt es weitgehend. Für jene Gattung, die gerade als öffentliche den Anfang der Literatur markiert und die die zunehmende Privatisierung des Schreibens und des Lesens durch die Prosa stets kritisch beäugt hat, muss das eine bittere Erfahrung sein. Allein, sie jammert nicht, sondern nimmt die Angelegenheit selbst in die Hand ‑ indem sie sich ihres mündlichen Ursprungs erinnert und jene Öffentlichkeit sucht, die ihr von vielen Medien, darunter nicht zuletzt von einem zunehmend mutlosen Buchmarkt, verweigert wird. Als lautstärkste Äußerung dieser Entwicklung darf zweifellos der Poetry Slam gelten, dessen Münchner Ausgabe schon lange auf ziemlich festen Füßen steht. KATRIN SCHUSTER |
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__Hallo, 10. Oktober 2012 | |
Festival der Dichterinnen 2012Lyrik satt in der Fabrik: Treffpunkt für Literaturbegeisterte Drei Tage stehen sie im Mittelpunkt: 40 Dichterinnen aus ganz Europa treffen sich in der Pasinger Fabrik. Das Publikum ist eingeladen neben bekannten Autorinnen auch Neuentdeckungen kennenzulernen. Organisiert haben das Festival die Münchner Poetinnen Augusta Laar, Sarah Ines Struck und Alma Larsen. Welches Bild vermittelt der Beruf der "Dichterin" heute? Sind Dichterinnen ätherische Nymphen, die in idyllischen Lauben in romantischer Verklärtheit Worte aneinanderreihen? Sind sie kämpferische Blaustrümpfe mit Intellektuellenbrille, die uns ihre Texte wie Parolen entgegenschteudern? Sind sie schamanische Priesterinnen, die den Abgesang der Welt beschwören? Oder feiern sie als moderne Schülerinnen Sapphos die Liebe in hymnischen Versen, zeigen sich als sensible, ernsthafte wie humorvolle Wortkünstlerinnen, die sich mit ihren poetischen Werken einen Reim auf das Leben machen und Leser /innen und Publikum auf Reisen an unentdeckte Orte mitnehmen? Internationales Festival Zunft der Dichterinnen |
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