lyrik
Barbara Seeberg__ Paradies // Herbst // Übermorgen // Die Hände meiner Mutter


Paradies

Gras war Gras war Gras

Im Garten eingeschlafen
im Schatten der Amseln

bauscht Flaum sich an
einer Rotkehlchenbrust.

Neben der Mähmaschine
vergessen ein müder Rechen

und Flugfische schwimmen
durchs Blauzeug nach Osten

einfach so.

___________________________________________________________barbara seeberg


Herbst

Schneller Blätter
fallt schneller

ich will endlich
wissen was

hinter den
Bäumen ist

___________________________________________________________barbara seeberg


Übermorgen

Wie bin ich Tausendschönchen
versunken in der Wiese
in Schaumkraut Dottersumpf
und Ackerwinde blau
um neunundzwanzig Wirbel.

Bärenklau brummt in der
Augenhöhle Schlaf
Mohn rötet die Schläfen.
Brustkorb luftiger Käfig
für goldige Löwenzähne.

Weiße Lampions gezündet
am Schlüsselbein und alle
Handwürzelchen wachsen.
Endlich viel Platz für Himmel
zwischen vierter und sechster Rippe.

Dicht an dicht Margeriten
im Becken und ohne Scham
Kälberkräuter sieben
Dolden um Schenkel und Fuß
Ketten aus gelben Blüten.

An der Kniescheibe Ampfer
Wiesenrispengras lispelt süß
und zittert in den Gleisen
von Waden und Schienbein.
Was für ein Ehrenpreis!

Wie schön ich bin
in hundert Jahren!

___________________________________________________________barbara seeberg


Die Hände meiner Mutter

hatten immer
die richtige Temperatur.
Warm wenn sie Albträume
kühl wenn sie mir Fieber
aus den Augen strichen.

Mit meinen Händen
ihre Hände
die kalt werden
auf dem Betttuch
noch einmal wärmen.