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Septemberabend, Frankfurt-Dornbusch
für Zs.B.
Dieser Abend, Du Schöne, ist viel zu kalt
und gehört uns beiden auf der Terrasse
mit Decke und Sekt und bald lecken nasse
Nachtzungen heran und Öl und Pest und Wahn
Systeme aller Art sind unsere Themen
hier aber bei Dir flunkern die Sterne flackern
die Herzen vergnügt vernehmen wir das Gescherze
in den hinteren Räumen wo unsere Kinder es
nicht versäumen den Göttern des Frohsinns
torkelnde Tempel zu bauen die später wir
mit blauen Lippen bestaunen zwei Frauen
die ihre schlafenden Kinder ins rechte Bettchen
legen und die man nun zwischen Verschiedenem
kichernd am Teppich herumkriechen sieht
___________________________________________________________birgit müller-wieland
Olympiaberg
Auf diesem Hügel überseh ich meine neue Welt!
Da grüßen Schloß und Schwaige, da brummts in O2 und BMW,
auf der A9, im Chinesischen Turm, und da, wo ich steh,
ist der Odeonsplatz nicht weit, auch 1914 nicht,
da steht einer, ganz klein, mit jungem Hitlergesicht.
So eine Freude! Schwenk den Hut! Endlich Krieg!
Auf diesem Hügel überseh ich meine neue Welt!
Das Kind hüpft vor, es macht sich lustig.
Ich seh die Stadt sich sonnen in ihrem Oktober-Tun,
seh über Spitzen, Kolonnen, grüne Matten. Und seufze nun:
Das Kind will übern See mit dem Plastikschwan und
außerdem hinauf zum Olympiaturm fahrn.
Ich warte in seinem Schatten.
___________________________________________________________birgit müller-wieland
Was ich sehe 2
Diese Türen stürzen
die Jahrzehnte entlang
Diese Türen stürzen
die Jahrzehnte entlang in unsere Köpfe
hinein stürzen in den Schwamm
unserer Tage unserer dichtbesiedelten
Alltage stürzen vorbei
am Vergessen landen
diese Türen hier bei uns sind
unverschlossen ganz und gar
keine Türen sind das sind ja
Rahmen von Türen was sehen
wir was schaut zurück das
ist die übliche Frage die nach
Grenzen die Frage
nach Durchblick und Luft
vor allem der Luft
unserer Tage
die Jahrzehnte entlang weht sie
die Frage weht zurück |