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1. Schamrock–Festival der Dichterinnen, 19.-21. Oktober 2012 * Münchner Merkur

Dichterinnen feiern ein Lesefest

Wie ist die Dichterin von heute? Welches Bild vermittelt eine Lyrikerin des 21. Jahrhunderts der Gesellschaft? Wer von Freitag bis Sonntag den Weg zum 1. Schamrock‑Festival der Dichterinnen in der Pasinger Fabrik gefunden hat, dürfte auf diese Fragen mehr als genügend Antworten erhalten haben. Denn dort feierte die weibliche Dichterzunft ein Lesefest.

Bekannte Autorinnen und Neuentdeckungen waren es, die die Künstlerin, Autorin und Musikerin Augusta Laar eingeladen hatte, ihr Repertoire in Lesungen, Vorträgen, Diskussionen und Workshops zum Besten zu geben. Auch Filmvorführungen und sogar Auftritte von Livebands standen auf dem Programm.

Mit ihrem Gedicht "Feuerpause" gab die Österreicherin Birgit Müller‑Wieland einen Einblick in ihren neuen Lyrikband, der demnächst erscheinen wird. Die Brüchigkeit der Natur und deren scheinbare Unversehrtheit ist es, die die seit sechs Jahren in München lebende Autorin zum Thema macht. In "Feuerpause" hat sie ihre Erlebnisse mit dem Vesuv verarbeitet, der für sie das Sinnbild der menschlichen Existenz darstellt. "Er tut so harmlos, ist aber im Untergrund stets aktiv und wird irgendwann wieder ausbrechen", bringt es die Dichterin auf den Punkt.

Mit einem witzigen Einstieg nahm die jüdische Lyrikerin Ruth Küger die Zuhörer gleich für sich ein. Die 1947 in die USA ausgewanderte Anglistin und Germanistin ist Trägerin des Lessing‑Preises und des Bundesverdienstkreuzes und blickt auf eine bewegte Vergangenheit mit Deportation ihrer Familie während des Zweiten Weltkriegs und einem späteren Leben als alleinerziehende Mutter zweier Kinder zurück. Mit der These "Gute Leser geben zu, dass sie Lyrik manchmal nicht verstehen", eröffnete die 81‑Jährige ihren amüsanten und doch bewegenden Vortrag. Mit Gedichten müsse man sich anfreunden, deshalb brauche man davon auch weniger als von Prosa. Eine Dichterin freue sich zudem, überhaupt gelesen zu werden, sie erwarte allerdings nicht, auch noch verstanden zu werden.

Mit einem Augenzwinkern gab die Dichterin dann Kostproben ihres Werks, einer Mischung aus "österreichischer Erinnerung und amerikanischer Kinderkultur". Dabei lag der Schwerpunkt auf ihrer Mutterzeit und den entsprechenden Erlebnissen mit ihren zwei kleinen Söhnen. "Als mein jüngster vier Jahre alt war, hat er einmal Häuser gemalt, die der Wind wegblies." Im Kontrast dazu habe er seine Mutter dargestellt, die diese Bauwerke festhielt. ,Die abgebrochenen Reime betonen die Instabilität meines damaligen Lebens", erklärte Ruth Klüger.

VON MARTINA SCHEIBENPFLUG