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Portrait Augusta Laar / Schamrock-Salon Made in Austria, 24. 10. 2010 * Süddeutsche Zeitung


Mehr Größenwahn wagen. Die Multikünstlerin Augusta Laar pflegt den "Schamrock - Salon der Dichterinnen" und lädt Lyrikerinnen aus Österreich ein.

Vielleicht Lyrikvermittlerin. Augusta Laar schmeckt das Wort vorsichtig ab. Die Bezeichnung beschreibt ihre Arbeit im Projekt "Salon der Dichterinnen" ganz gut. Aber darauf festgelegt werden - sie wiegt langsam den Kopf - das will sie nicht. Schließlich hat sie mehrere Berufe. Oder Berufungen: Lyrikerin, Musikerin, Bildende Künstlerin, Performerin, Veranstalterin, Klavierlehrerin, DJane - gelegentlich legt sie in der "Favorit Bar" auf. Trotzdem ist ihr die Zeit, die sie darauf verwendet, in anderen Menschen Lust an Lyrik zu wecken, wichtig. "Das finde ich seelisch anregend."

In erster Linie deshalb, weil sie das Gefühl hat, durch die anderen Künstlerinnen viel zu lernen. "Das Zuhören ist ungeheuer wichtig." Gemeinsam mit Karl Wallowsky initiierte sie bereits 2006 die "Lyrik Plattform" im Giesinger Bahnhof. Drei Jahre später begann sie mit Gabriele Trincekler "Schamrock - Salon der Dichterinnen" aufzubauen. "Uns schwebte ein internationales Netzwerk für Autorinnen jeden Alters vor", erläutert Augusta Laar. Den Namen "Schamrock" entliehen sie ihrem gleichnamigen Flüstergedicht.

Nach fast zwei Jahren, sechs Salons und inzwischen allein - Gabriele Trinckler hat sich zurückgezogen - weiß sie, dass der Zyklus der Jahreszeiten, mit dem die Reihe 2009 startete, dem Publikum gefiel, aber den Autorinnen nicht behagte. Die Frühlingsdichterinnen hatten zwar keine Probleme mit der Einstufung nach Alter, aber die Herbstfrauen reagierten wenig angetan. Jetzt sind die Veranstaltungen thematisch konzipiert - "Kinder können dichten" hieß es im Juli Salon - oder konzentrieren sich darauf, Lyrik aus deutschsprachigen Nachbarländern vorzustellen. Im Frühjahr gastierten im Salon Schweizer Poetinnen, und an diesem Sonntag sind Gedichte "made in Austria" dran.

Anna Guentcheva, Traude Korosa, Carina Nekolny und Judith Pfeifer, vier in Wien lebende Autorinnen aus unterschiedlichen Regionen Österreichs und Osteuropas, werden lesen und anschließend mit dem Publikum diskutieren. "Als Philologinnen, Politologinnen und Autorinnen untersuchen sie die weiblichen Komponenten der Sprache und legen manipulative Sprachstrukturen radikal offen", heißt es im Pressetext. Klingt ein bisschen feministisch. So ganz will Augusta Laar das nicht von der Hand weisen. Schließlich hat sie den Salon auch deshalb initiiert, weil es für Dichterinnen deutlich weniger Möglichkeiten gibt, ihre Texte öffentlich zu lesen als für männliche Kollegen. Häufig würden Frauen die existierenden Foren scheuen. "Männer sehen das sportlich und gehen hinein wie in einen Wettbewerb, Frauen fehlt oft das Selbstbewusstsein dazu." In Lyrik Anthologien seien Autorinnen ebenfalls unterrepräsentiert, mit ein Grund, warum Laar den Aufbau einer Online Anthologie plant. Der schlimmste Fehler von Frauen sei eben, zitiert sie die Schriftstellerin Irmtraud Morgner, ihr Mangel an Größenwahn.

Laar selbst, 1955 als Tochter einer Schweizer Mutter in Eggenfelden geboren, hat zeitlebens geschrieben, aber nicht immer für die Öffentlichkeit. Mitte der neunziger Jahre das Leben hatte ihr gerade einen Tritt versetzt, der eine Seele töten kann - entschied sie sich dafür, an ihrem Schreiben andere Menschen teilhaben zu lassen. Ihre kurzen Gedichte spielen mit Alltagswahrnehmungen. "Ich finde Lyrik an jeder Straßenecke, arbeite mit gefundenen Wörtern und verwandle sie in eine rhythmisch verdichtete Sichtweise der Welt", sagt sie. Deshalb gibt es keine endgültige Versionen der "Wortobjekte", nur Entwürfe für weitere Texte. Das Konzept der sich verändernden Strukturen funktioniert auch in den Performances von Kunst oder Unfall, einem Electronic Poetry Duo, in dem Laar mit ihrem Mann Kalle Laar, Gründer des Temporären Klangmuseums, auftritt.

Zu ihrer Umtriebigkeit passen mehrere Wohnsitze. Normalerweise lebt sie in Krailling, aber zeitweise auch in Wien. Dort organisiert sie gerade transnationale Lyriklesungen im Import/Export Container unter der Zentralbibliothek. Keine Frage, dass die Planung für den Wintersalon bereits fix ist. Unter dem Titel "… lebt und arbeitet in München" werden Birgit Müller Wieland, Tamara Ralis, Sarah-Ines und Barbara Seeberg lesen. Und 2011 wird sich einer der Salons im März mit 100 Jahre Frauentag beschäftigen. Angedacht sind ein Lyrikfestival undundund. Doch, die Zeit reiche ihr schon aus für alle Pläne, Konzepte und fürs Schreiben. "Das Leben wird einfacher durchs Älterwerden", findet sie. "Wer sich damit abgefunden hat, dass er nicht mehr weltberühmt wird, hat gewonnen."

Sabine Reithmaier