International Poetry-Biennial - Filmfestival - Salon - Network
___Festival 2018________Europe_Inside_/_Outside________Vienna 24_10 | Munich 26-28_10
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Laura Accerboni (CH)
Lubi Barre (SO)
Lucy Beynon (GB)
Bela Chekurishvili (GE)
Audrey Chen (CN)
Odile Cornuz (CH)
Abbie Conant (US)
Oya Erdoğan (TR)
Katrin Sofie F. (DE)
Heike Fröhlich (DE)
Zsuzsanna Gahse (CH)
Petra Ganglbauer (AT)
Romana Ganzoni (CH)
Sabine Gruber (IT)
Lisa Jeschke (DE)
Kateryna Kalytko (UA)
Giedrė Kazlauskaitė (LT)
Judith Keller (CH)
Eka Kevanishvili (GE)
Margret Kreidl (AT)
Augusta Laar (DE/CH)
Kalle Laar (DE)
Zuzana Lazarová (CZ)
Swantje Lichtenstein (DE)
Barbi Marković (RS)
Olga Martynova (RU)
Gonca Özmen (TR)
Lynn Parkerson (US)
Rosa Pock (AT)
Dragica Rajčić (HR)
Oksana Sabuschko (UA)
Zoë Skoulding (GB)
Marie Šťastná (CZ)
Kinga Thót (HU)
Iryna Tsilyk (UA)
Anja Utler (DE)
Antje Vowinkel (DE)
Anne Waldman (US)
Elisabeth Wandeler-Deck (CH)
Neşe Yaşın (Zypern)
Barbara Yurtdas (DE)
Nora Zapf (DE)
(Turkey)
whiteBOX Munich
Oya Erdoğan, *1970 in der Türkei. Sie studierte Philosophie und Orientalistik in Wien und lebt als freie Schriftstellerin in Berlin.
Sie schreibt Essays, Prosa und Lyrik, sie macht Stimm-Performances und arbeitet mit Künstlern aus Musik, Fotografie, Tanz und Malerei zusammen.
Im Passagen Verlag erschien von ihr Wasser. Über die Anfänge der Philosophie. Gedichte erschienen zuletzt in manuskripte, Versnetze, und bei Fixpoetry.
Schwerpunkt Türkei | Focus Turkey
Oya Erdoğan, *1970 in Turkey, freelance writer. She studied philosophy and oriental studies in Vienna and curently lives in Berlin.
Erdoğan writes essays, prose and poetry, creates voice-rerformances and collaborates with musicians, photographers, dancers and painters.
The Passagen Verlag published her book Wasser. Über die Anfänge der Philosophie (Water. On the beginnings of philosophy). Her poetry was first publisized in manuskripte, Versnetze, and at Fixpoetry.
Muttersprache
Türkisch ist meine Muttersprache
Meine Muttersprache ist Deutsch
Die Brüste haben mich nicht gestillt
Mich zeugten heimlich die Zitzen einer Hindin
Meine Sprache ein Geweih heterodox
Am korrekten Ausdruck vorbei
Ich übersetze nicht
keine Sprache ich setze
aus dem Nichts über
sehen
könntest du ruhig in meine augen sehen
so tief und bewegt wie deine
könntest den schatten meiner wimpern sehen
wie ferne säulen in meiner iris
könntest diese krümmung sehen
durch deine linse das dunkle haus
könntest in der mitte du sehen
k
önntest sie die kaaba sehen
umgeben von bewegter ruhe
in der haram al-sharif dich sehen
durch ihre wimpernbögen hindurch
die dunkle ruhe sehen
um die sich alle drehen
um die sich alle drehen
die dunkle ruhe sehen
durch ihre wimpernbögen hindurch
in der haram al-sharif dich sehen
umgeben von bewegter ruhe
könntest sie die kaaba sehen
könntest in der mitte du sehen
durch deine linse das dunkle haus
könntest diese krümmung sehen
wie ferne säulen in meiner iris
könntest den schatten meiner wimpern sehen
so tief und bewegt wie deine
könntest du ruhig in meine augen sehen
Tradition
I.
Reinheit kommt vom Glauben
pflegte meine Mutter zu sagen
und stellte alle Möbel um
um Staub auch im verborgensten
Winkel zu entfernen
II.
Sie putzte gerne und aus Gewohnheit
denn Sauberkeit ist unsere Tradition
so lernte sie es von ihrer Mutter
und reinigte jeden Tag Jahr ein Jahr aus
wann immer Zeit war unser Haus
III.
Auch ich sollte mehr als nur
Geschirr spülen sollte die Regale wischen
die Böden reinigen die Häkeldeckchen
auf den Sessellehnen richten aufräumen
was nicht in Ordnung war
IV.
Die Fenster waren ihre Leidenschaft
Licht hereinzulassen ohne Trübung
doch Gardinen mussten sein
damals betete meine Mutter noch nicht
fünf Mal am Tag vollzog die rituelle
Waschung nur dann und wann
V.
Abends putzte sie andere Häuser und Gott
gab ihr neue Spitzendecken Vorhangmanschetten
sie kaufte neue Möbel neue Teppiche
ließ
die Wände neu tapezieren wie neugeboren
war sie dann und lobte die Reinheit
die
vom Glauben kam
VI.
Nach ihr sollte ich geraten wie ein Apfel
denn der fällt nicht weit vom Stamm
so lernte ich es von meiner Mutter
ein gläubiges Leben sollte ich führen
putzen für Mann und Kinder
und warum nicht auch für andere
ich habe mich dann zur rechten Zeit
noch aus dem Staub gemacht
VII.
In meiner Wohnung
habe ich keine Häkeldeckchen
keine Gardinen vor dem Fenster
und auch keine neuen Möbel
nur einen klaren Winkel da
wo ich am Boden sitze meditiere
morgens abends und wann immer
Zeit ist fege ich die Gedanken
reinige den Geist die Sinne
ordne die Körperräume
Jahr ein Jahr aus
Das ist meine Tradition