Internationale Poetry-Biennale  -  Filmfestival  -  Salon  -  Netzwerk



10 Jahre Schamrock-Salon der Dichterinnen____Monacensia | München 19. September 2019
Münchner Dichterinnen lesen Münchner Dichterinnen
Karin Fellner - Elsa Bernstein
Foto Andreas Gebert

*1970, lebt nach einem Literaturstudium als Autorin und Schreibcoach in München. Sie leitet Schreibseminare, u.a. für das Lyrik Kabinett und das Literaturhaus München. Ihre Gedichte wurden mehrfach auszeichnet, zuletzt mit einem Literaturstipendium des Freistaats Bayern (2018).

Von ihr erschienen fünf Lyrik-Einzelbände, zuletzt eins: zum andern (Parasitenpresse, Köln 2019).

Karin Fellner bei der Schamrock-Nacht der Dichterinnen 2013, Festival der Dichterinnen 2014

Die Schriftstellerin und Bühnenautorin wurde 1866 in Wien  geboren als Elsa Porges, als Tochter des Musikschriftstellers Heinrich Porges, der bald nach Elsas Geburt von König Ludwig II. nach München berufen wurde. Bernstein wuchs in München auf, „erzogen inmitten des künstlerischen Krieges für das neue Musikdrama Richard Wagners“, wie sie in einer Selbstauskunft schrieb. 1890 heiratete sie den Rechtsanwalt und Schriftsteller Max Bernstein, aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Mit ihrem Mann unterhielt sie einen künstlerisch-literarischen Salon, den sie 1939 einstellen musste.

Die Möglichkeit, 1941 in die USA zu emigrieren lehnte Bernstein ab, da ihre Schwester Gabriele keine Einreisegenehmigung erhielt. Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft wurde sie am 25. Juni 1942 zunächst nach Dachau und bereits am 26. Juni 1942 gemeinsam mit ihrer Schwester Gabriele in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Gabriele Porges kam im Ghetto Theresienstadt um. Elsa Bernstein wurde dort Anfang Mai 1945 befreit.

Bernstein starb 1949 und wurde im Grab ihres Vaters auf dem Münchner Ostfriedhof beigesetzt.

Stockente fragt Stockende

Lief es dich in den Graben, du Ratio, -serin, -ppel?
Scharre nicht, schnarre nicht, warte
hier mit mir im Schlamm, der
uns die Füße wäscht.

Wie finden meine Daunen zueinander von selbst
sich ladend, entladend eine nahe Ferne
ohne Know-how im Schlamm, der
uns die Füße wäscht?

Verstehst du es, zu stehen? einfach auf einem Bein
im Abfluss der Finessen, -anzen, -ten zu sehen:
Schlimm ist nicht schlimm, wenn Schlamm
uns die Füße wäscht.

Füße und Tüten ziehn eh, ziehn je vorbei.
Aber kannst du wohl brüten, ohne zu klügeln,
kannst ein Schnaderhüpferl zupfen, das
uns die Füße wäscht?

Hexe
kommt mit einem Körbchen aus der Hütte.
Hinunter steig ich zum schwarzen See,
Pilze und Würzlein suchen,
graue Schnecken und Bilsenwürmer.
Ein roter Rau fiel mitternnächtig,
der macht die naßgrünen Molche trächtig.
Ab in den Wald.

Gänsemagd
nimmt den Kranz von Lindenzweigen.
Ach, bin ich allein.
Redet doch, ihr kleinen Blumen.
Ich möcht‘ – ich möcht‘ eine Silberspindel.
Schaut in den Lindenwipfel.
Zwitschere doch, liebes Vögelein.
Fortgeflattert?

 

(aus: Königskinder. Ein deutsches Märchen in drei Akten. Fischer1895)

schau aus dem Fenster, auch hier stehen Tote in Lücken,
(trocken, unabgeschlossen

noch und noch Transformation unter dem schmalen Dach

zwischen Wortstämmen so orange Körper, flatternd

sie f(t(ragen dir nach

Schmetterlingstrameten, Tanz der stille steht

wie schmecken modrige Pilze?

auch du bist nichts als ein Sack, zum Großteil mit Wasser gefüllt

wirst all deiner Zungenzurüstung verlustig gehen, wirst
gewendet werden und

wiederverwendbar für andre

 

(beide aus: eins: zum andern. Gedichte. Parasitenpresse 2019)

 

Einsiedel
dreht ihm den Kopf über die Schulter zu.
Schau der Gevattersmann! Und wie im Staat!
Nachtfaltersammt! Du wendest was auf dich.
Wie hoch die Elle? Mir trägt‘s kaum den Bast.
Potz und das Kränzel! Welchem Mägdlein stahlst du‘s?
Riecht nur zu stark. Nicht meiner Nase nah!
Und nimm die kühle Hand von meiner Schulter.
Er schiebt sie mit dem Grabscheit fort.
Krieg ich den Frost, kann ich nicht zähneklappern.
Weg, sag‘ ich dir. Der Winter kroch ins Moos.
Thron‘ dich wo nieder, schürz dein Schwänzlein hoch –
Und warte einen Rosenkranz auf mich.
Gleich bin ich fertig.

Tod
Ja, gleich bist du fertig.
Du wartest mein – ich warte deiner nicht.

 

(aus: Mutter Maria. Ein Totengedicht in fünf Wandlungen. Fischer 1900)