Nora Gomringer

Monster & Mädchen

Ich bin das Mädchen
bin das Mädchen
das Mädchen bin ich
das du sortiertest
du sortiertest mich
es blieb mir nichts
nichts blieb mir

übrig bin ich

wer ich jetzt bin
ich jetzt bin
wer ? fragst du mich
ich war das Mädchen
war das Mädchen
das Mädchen war ich
sortiert hast du mich

so spricht das Monster

das Monster bin ich

Baby

Im ersten Jahr soll es
möglichst
viel schlafen, viel werden.
Was in es gefüllt wird,
soll Spuren hinterlassen,
es aufbauen, vergrößern, erweitern.
Gegen das Verheerendste
werden Spritzen aufgezogen
 –  sieh da, das Vögelchen! –
die Nadel vom Arzt in den Arm gerammt.
Die erste massive Enttäuschung,
denn die Mutter
blicket stumm.
Am Ende des ersten Jahres
werden Schritte fällig, auch ein Wort.
Es darf den Vergleich nicht scheuen
Mit den anderen Miniaturen.
Erste Verhandlungen über Besitz
und Abstoßung, die Kraft der Gesten
und die Magie der Gesichtszüge
führen ins zweite Jahr.
Das Baby erhält einen Namen,
wenn es eindeutig blau oder rosa geworden ist.
Dann erst lohnen sich die Verurteilung
des Storches, der Griff unters Kohlblatt,
die vollen neun Monate Ungewissheit:
Fisch oder Vogel. Es ist immer
ein Ding der Unmöglichkeit.