Internationale Poetry-Biennale  -  Filmfestival  -  Salon  -  Netzwerk


___Festival spezial 2019_Bamberg_______________________________

Oksana Sabuschko
(Ukraine)

Freitag, 25. Oktober

14 Uhr - Theatertreff (Rondell)

19 Uhr - Studiobühne


Foto Martin Richartz

 

*1960 in Luzk, lebt als Schriftstellerin in Kiew. Sie studierte Philosophie und unterrichtete u.a. in Harvard und Pittsburgh ukrainische Literatur.

Ihr Werk wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und international ausgezeichnet. Bei Droschl erschienen die beiden Romane Feldstudien über ukrainischen Sex, 2006 und Museum der vergessenen Geheimnisse, 2010 sowie die Essaysammlungen Planet Wermut, 2012 und Der lange Abschied von der Angst, 2018.

Auf dem Schamrock-Festival stellt sie neue Gedichte vor.

 

*1960, Ukraine’s major writer and intellectual, authors over twenty books (poetry, fiction, non-fiction), and is internationally known with her novels Field Work in Ukrainian Sex,1996, and The Museum of Abandoned Secrets, 2009. Her books have been translated into some twenty languages, and won her many awards.

Latest publications: Der lange Abschied von der Angst. Essay, 2018; After the Third Bell the Performance Hall Is Closed. Stories, 2018, forthcoming.

Оксана ЗАБУЖКО

ДИПТИХ 2008 РОКУ

І.        

Ти казав їх любити, Господи, -
це червоне світло, що б’є крізь повіки,
цю юрбу босхівських пик, що шпурляють у Тебе каміння,
вивергаючи з дна пересохлих на жужіль душ
найчорніші під небом прокльони:
«Роз-пни! Роз-пни!» - рветься рев із пітьми горлянок,
гоготить,  як в метро, по підземнім тунелю віків
(стук “вагонзаків” по стиках рейок!) –
і відлунює з другого боку: «Зіґ - хайль! Зіґ - хайль!».
Засклені очі,
викинуті руки,
стиснуті п’ястуки.
Се люди Твоя, Господи.
Бачиш: вони не змінились:
амфітеатри Колізеїв,
стокмовиська бестіаріїв,
дух горілого людського м’яса на площах Мадріда –
це вони несуть оберемки хмизу на автодафе,
всапують хтивими ніздрями хруст єретицьких кісток
(кат опускає червоний каптур на обличчя,
слідчий спрямовує в вічі сліпучий прожектор лампи,
центуріон поправляє бляху на ремені…).

А це - мій народ, Господи:
видибає із “вагонзаків”, похитуючись на нетвердих ногах,
валиться долі, упившись першим ковтком свободи,
тремтячи підводиться, збивається в купи,
мутним зором обводить довкілля в пошуках пастуха –
інквізитора, кесаря, центуріона, -
того, хто скаже: «Прийдіть, вклоніться мені –
і визволитесь oд себе!», -
і вже наливаються, тверднуть м’язи,
випружуються руки, намацуючи каміння,
і засклівають очі, і радо гупає кров,
виносячи клекотом з тьми набряклих горлянок
той самий, правічний ритм
двотисячлітнього крику…

Се люди Твоя, Господи.
Пошли їм іще раз Сина свого.
Приходь, Господи:
вони готові.

ІІ.

8.08.2008 – початок російсько-грузинської війни

Історіє, суко,
ти знову хапаєш мене за горло,
ти знову витрушуєш з мене душу,
ти знов заганяєш мої думки
в чорний тунель нутряного крику:
«No pasarán! Вони не пройдуть!» –
засипаючи решту овиду
сірим щебенем ранкових новин,
інтернет-курявою, як по бомбьожці,
знов закрашуєш світ у всього дві барви зі спектра:
офірною кров’ю – червоне,
           і коричневе - брудом підлот…
І знов мене косять безсонні ночі,
як площу, по котрій проходить армія,
і знов я влізаю в танк,
простукую панцир, підрихтовую коліщатка,
підкручую слова петицій і апелів, щоб жодне не затнулось:
No pasarán! Вони не пройдуть!.

Історіє, суко, будь ти проклята –
вони ж проходять, вони ж завше проходять:
по трупах наших надій,
по золі згорілих ілюзій -
не так, то інак, не прямо, то боком, раком,
маневром, обходом захоплюють території
одну по одній, сунуть з розколин, щілин,
з увімкненого й вимкненого, з отворів і розеток,
обертаючи все на загладу, вкриту лузгою
зжованих життів
           і схаркнутих вір…

Так чому ж я мушу
стояти на цім п’ятачкові - вузенькім окрайчику -
в повному бойовому виряді, з протигазом включно,
і волати, як оглашенна: «Вони не пройдуть!», -
невже лиш на те, щоб подати знак,
променем ліхтарика по безкрайній мапі,
що у цій-от точці - принаймні в цій, -
допоки її закрито
шістдесятьма каге мого живого тіла,
вони, справді, -
не пройдуть?

Oksana Sabuschko

Diyptychon aus dem Jahr 2008

I.

Oh Herr, du predigst uns, wir sollen sie lieben,
roter Schein frisst sich durch die Augenlider,
eine Meute mit Fratzen - wie von Bosch - will dich steinigen,
aus den Abgründen ihrer zu Schlacke gestockten Seelen
würgen sie finstere, unsagbare Flüche:
"Kreu-zi-gen! Kreu-zi-gen!" entsteigt der Schrei dunklen Schlünden,
hämmert wie die Metro durch die unterirdischen Tunnel der Jahrhunderte
(Das Rattern der Viehwaggons auf dem Schienenstrang!) –
und von der anderen Seite schallt es: "Sieg-heil! Sieg-heil!"
Gläserne Blicke,
emporgerissene Arme,
geballte Fäuste.
Das sind deine Geschöpfe, oh Herr.
Schau nur hin: Sie ändern sich nicht:
Die Kollosseen,
reichhaltige Bestiarien,
der Geruch verbrannten Menschenfleisches auf den Plätzen Madrids –
da schleppen sie noch mehr Reisigbündel zum Autodafé,
lauschen mit bebenden Nüstern den berstenden Knochen der Häretiker,
der Henker zieht die rote Kapuze übers Gesicht,
der Untersuchungsrichter schaltet das blendende Scheinwerferlicht an,
der Zenturio rückt sein Koppel zurecht …

Und das, o Herr, ist mein Volk:
Zitternd fällt es aus den Viehwaggons, taumelt auf unsicheren Beinen,
sinkt zu Boden, trunken von einem Schluck Freiheit,
rafft sich bebend auf, drängt sich zusammen,
trüben Blickes sucht es den Hirten –
den Inquisitor, Kaiser, Zenturio, -
der ihm befiehlt: „Tritt näher! Verneige dich vor mir!
Und befreie dich von dir selbst!“ -
Und es durchströmt sie bereits, hart werden die Muskeln,
die Arme schnellen nach vorne, tasten nach Steinen,
der Blick wird gläsern und fröhlich pulsiert das Blut,
aus den Tiefen angeschwollener Kehlen gurgelt,
jener alte, jener uralte Rhythmus
des zweitausend Jahre wiederkehrenden Schreis …

Es sind deine Geschöpfe, Herr.
Sende ihnen noch einmal deinen Sohn.
Komme, Herr, steige hinab,
sie sind bereit.

II.

08.08.2008 Der russisch-georgische Krieg beginnt

Istoria, du Schlampe,
wieder packst du mich an der Gurgel
wieder saugst du mir die Seele aus,
wieder jagst du meine Gedanken
durch die finstren Kanäle meines innersten Schreis:
"No pasarán, Sie kommen nicht durch!" -
Der Rest des Horizonts füllt sich
mit grauen Kieseln der Morgennews,
die Internetstaubwolke, wie nach einem Bombenteppich,
verleiht der Welt die beiden Farben ihrer Palette:
opferblut-rot
                  und fieslings-braun. ...
Und wieder drücken mich schlaflose Nächte
wie den Platz die darüber trampelnde Armee
und wieder schlüpf ich in den Panzer,
klopfe die Panzerung ab und stelle die Rädchen ,
drechsle Worte für Aufrufe und Petitionen, damit sie nicht holpern:
"No pasarán! Sie kommen nicht durch!"

Istoria, du Schlampe, sei verflucht -
Und sie kommen durch, sie kommen immer durch:
über die Leichen unserer Hoffnungen,
über die Asche unserer verbrannten Illusionen -
wenn nicht so, dann anders, wenn nicht gerade,- dann kriechend, seitlich
manövrierend, auf Umwegen besetzen sie
ein Territorium nach dem anderen, kriechen aus Rillen und Ritzen,
aus Spalten und Steckdosen, ob eingeschaltet oder ausgeschaltet,
verwandeln alles in Tod, besudelt mit dem Auswurf
zerkauten Lebens und
                                und zermahlenen Glaubens

Warum muss ich
auf diesem Flecken stehen - auf diesem schmalen Stück Erde -
in voller Kampfmontur, Gasmaske eingeschlossen,
und wie besessen rufen: "Sie kommen nicht durch!",
und sei es nur, um ein Zeichen zu setzen
auf der endlosen Karte mit einem Lichtstrahl,
dass hier und jetzt, wenigstens dieser Punkt
von mir besetzt ist
mit den sechzig Kilo meines Lebendgewichts,
und sie
wirklich nicht durchkommen?

 

Übersetzt von Alexander Kratochvil