Internationale Poetry-Biennale - Filmfestival - Salon - Netzwerk
___Festival spezial 2019_Bamberg_______________________________
- Lubi Barre
- Nancy Campbell
- Lara Ermer
- Fee (Felicia Brembeck)
- Svenja Gräfen
- Volha Hapeyeva &
Vlad Buben - Barbara Hundegger
- Mirlea Ivanova
- Irina Liebmann
- Marion Poschmann
- Oxana Sabuschko
- The Come and Go-Gos
- Anja Utler
- Antje Vowinckel
- Kunst oder Unfall &
Helga Pogatschar
mit Augusta Laar
Kalle Aldis Laar
Miku Nishimoto-Neubert
- Women Beat Poets
Lecture
(Bulgarien)
Freitag, 25. Oktober
19 Uhr - Studiobühne
Samstag, 26. Oktober
14 Uhr - Theatertreff (Rondell)
*1962 in Sofia. Besuch des Deutschen Gymnasiums in Sofia. Studium der bulgarischen und russischen Philologie an der Universität Plovdiv. Mitgründerin und aktive Teilnehmerin an dem Poesiekabarett "Freitag, der 13.". Autorin und Moderatorin der Fernsehsendungen "Freitag, der 13." und "Insel für Selige" im bulgarischen Nationalfernsehen.
Autorin von Lyrik, Erzählungen, Literaturkritik und Publizistik, übersetzt aus dem Deutschen. Herausgeberin u.a. der Lyrikanthologien Die Wanderung der Steine. Zeitgenössische deutsche Dichter, der zweisprachigen Anthologie Balkanische Alphabete: Bulgarien, erschienen im Verlag Das Wunderhorn, 2007.
Neun Gedichtbände erschienen in Bulgarien, in deutscher Übersetzung sind erschienen: Einsames Spiel, 2000 und Versöhnung mit der Kälte, 2004.
Diverse Preise, 2007-2008 war Mirela Ivanova Stipendiatin im Internationalen Künstlerhaus "Villa Concordia" in Bamberg.
Ballade über eine unermüdliche frau in den jahren Des übergangs, die bei "Luciano" vier Quarkplunder Kaufte und auf der straSSe "Zar ivan schischman" Vor den erstaunten Augen der königlichen bodyguardS HINFiel, während sie versuchte, ihre neun taschen so ineinander zu packen, dass es fünf oder sechs wurden, aber ohne etwas zu zerdrücken, damit sie sie leichter tragen konnte, und das wichtigste: damit sie es schaffte, in die straSSenbahn nr. 14 zu steigen, DIE um diese zeit gewöhnlich restlos überfüllt IST
Ihre Arme fingen an zu zittern irgendwie seltsam
aus den Schultern und auf einmal fiel ihr auf
je mehr sie sich anstrengte
desto weniger gelang es ihr Nein
nicht nur im Moment sondern überhaupt
könnte sie ein Taxi nehmen
aber sie hatte es nicht eilig nach Hause zu kommen
sie wollte das Herzrasen vom
Treppensteigen nicht schon vor dem Schritt über die Schwelle
bevor sie den entzündlichen Ort betrat
unverstanden schaudernd unberührt
von ihrer demütigen Liebe
dann wünschte sie sich von der „Wassermusik“ überflutet zu werden
gespielt vom königlichen Symphonieorchester
irgendeine große Stadt sollte sie verschlucken
nicht unbedingt London vielleicht Berlin oder Brüssel
und sie in ihre Anonymität hüllen wie in einen Mantel
mit ihr spazieren gehen heilsam ziellos
sie hinterher in einem Hotelzimmer unterbringen Nein
nicht nur im Moment sondern überhaupt
würde sie sich am liebsten gleich in den Kleidern hinlegen einschlafen
einfach so auf den Rücken die Augen für immer schließen
sie könnte natürlich ein Taxi nehmen
und nach Hause in die nach Schuldgefühlen stinkende
Stube fahren warum wurden die Essensgerüche
auch nicht durch den Luftreiniger abgesaugt
der Katzenjammer und die vollendete Vergangenheit
und warum fand sie in den Regalen hinter den Gardinen
und im Keller leere Flaschen
aus denen der Geist des Zweifels schon gewichen war
und einmal fand sie eine Schnapsflasche
in einer Vase aber sowieso ging alles baden Nein
nicht nur im Moment sondern überhaupt warum sollte
sie nicht baden gehen aber so bepackt mit
Traurigkeit Ausweglosigkeiten und Taschen
wie soll sie an das Handy kommen
eingeklemmt zwischen Dosen mit chinesischem Essen
der „Geschichte der chinesischen Philosophie“ und einem Kilo Äpfel
wenn es klingelt ist es eigentlich ganz schön hartnäckig
„Sag mir, Carmen, liebst du mich, sag es mir
und lüge nicht“* und je weniger sie log
desto weniger glaubten sie ihr Nein
nicht nur im Moment sondern überhaupt
log sie nicht und dann schloss sie die Augen und der Sirup
aus den Quarkplundern überflutete sie und trug sie
an einen Ort ohne Konturen und Hoffnungen
der sich nicht verstopfen lässt
nicht mit Gegenständen und Verdächtigungen
nicht mit Angst
*nach der Melodie der Arie des Torero aus der Oper "Carmen" von Bizet
Ballade von einer geschäftigen Frau, die den Übergang überlebt hat und an einem freitäglichen Spätnachmittag unter dem Fenster in der engen Küche kniete und Über eine Waschschüssel gebeugt schon seit mehr als einer Stunde ein Leinenkleid einseifte, eins in Naturfarbe und mit vielen Perlmutknöpfen, heute morgen gekauft für vier Leva und chtunddreißig Stotinki in einem Geschäft der Kette "Chic" für second hand Bekleidung, wobei sie mal im Kopf und mal laut mit der Unbekannten spicht, die dasselbe Kleid schon getragen hat
Warum hast du dich eigentlich von ihm getrennt, so elegant und fein
fühlt es sich an, so luftig mit seinem einfachen,
legeren Schnitt, und die Knöpfe vollenden
die schöne Idee, ich habe mich mir vorgestellt
in so einem Kleid, der helle Tag flattert, schwingt,
umschmeichelnd umgarnt er meinen Körper,
warm und dunkel wie zu scharf gebackenes Roggenbrot,
umfängt mich, wenn ich ei einbrechender Dunkelheit am Ufer langlaufe
und nur der Mann und das Meer aufleuchten, nur
die Muscheln und Seepferdchen, und es reicht
eine Regung, vom Wund, von Mann oder von mir,
sie reicht, um die oberen zwei Knöpfe zu öffnen,
und ich entblättere mich, bin ohne Kleid und nackt
und lache, lache von ganz leise bis ganz laut,
von der Liebe bis zum Tod, war der Mensch nicht bloß
ein ausgezogenes Kleid, die Kleider erzählen von uns,
können uns auch vor der Kälte verbergen oder jenseits davon,
uns erfinden oder ausdrücken, und warum eigentlich
hast du dich von ihm getrennt, seit Jahren haben wir uns nicht geliebt
und warum eigentlich hast du dich von mir getrennt, jedes Mal
erhebt sich zwischen uns ein riesiges Haus
mit vielen Zimmern, Betten, Spiegeln und Teppichen,
doch wir können uns nirgendwo begegnen, da erheben sich
Schwellen der Duldsamkeit, patriarchale Projekte,
Finanzen, Verdächtigungen, Firnis, Vermögen, Fliegen.
Wovon trennen wir uns, wir alle vielleicht, und du weshalb, bestimmt
Hat es dich umflattert wie eine unstillbare Erinnerung,
wie eine nicht heilende Sehnsucht oder hat dich abgeschnürt
bis zur Atemlosigkeit, oder weil das Leinen stark knittert
und schwer zu bügeln ist, aber jetzt werden doch alle möglichen Bügeleisen verkauft, sie hängen nicht einmal an, Ökoseifen, Weichspüler,
eine bedrückende Fülle, wie ein Rachen verschlingt sie uns und warum
sollen wir uns von uns selbst trennen, bin ich vielleicht müde geworden,
auf meinem Rücken habe ich den Übergang ausgetragen, drei Personen,
drei Arbeitsstellen und noch dreihundertdreißg Rucksäcke,
und jetzt will ich etwas Luftiges und Leichtes tragen,
dein Kleid, mein armes, kleines Seelchen hält sich kaum noch
in mir, ich mag es tragen wie ein Federchen oder einen Flusen
aus irgendeinem anderen Leben mit einfachem, legeren Schnitt.