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  Astrid Nischkauer  ≠  Melitta Urbancic

Astrid Nischkauer, geb. 1989, studierte Germanistik und Komparatistik.

Literaturkritikerin und Herausgeberin der Literarischen Selbstgespräche (Klever Verlag, 2021). Übersetzungsbegeistert, zuletzt: Olalla Castro – Wir Frauen, im Hinterhof eines sehr großen Hauses / Nosotras, en el patio de atrás de una casa muy grande (hochroth Heidelberg, 2020).

Bislang 4 Gedichtbände, zuletzt: du Wundergecko (parasitenpresse, 2021). Kurzprosa und Drama. Lebt zwischen Bücherbergen und in Wien.

astridnischkauer.wordpress.com
 ⇒ Astrid Nischkauer beim Schamrock-Festival der Dichterinnen 2020

Dass Island, Europas zweitgrößter Inselstaat, auch ein Fluchtort vor den Nationalsozialisten war, ist wenig bekannt. Das Wiener Künstlerpaar Melitta Urbancic (1902–1984) – Dichterin, Bildhauerin, Schauspielerin – und Victor Urbancic (1903–1958) – Musikwissenschaftler, Komponist, Dirigent – fand 1938 mit seinen Kindern Zuflucht in Reykjavík und hat das Kulturleben Islands nachhaltig geprägt.

Melitta Urbancic, deren künstlerische Laufbahn unter den Bedingungen von nationalsozialistischer Verfolgung und Vertreibung gewaltsam unterbrochen wurde, kehrte 1945 nicht mehr nach Österreich zurück. Als Autorin ist sie, außer im Kontext der Exilforschung, unbekannt.

Gleichwohl verkörpert sie als Lyrikerin, Korrespondentin und Übersetzerin, als Bildhauerin im öffentlichen Raum und nicht zuletzt als Bienenzüchterin in Island beispielhaft einen dem Exil geschuldeten kulturellen Transfer zwischen beiden Ländern.

 ⇒ www.literaturhaus.at/
 ⇒ wolfgangschiffer.wordpress.com/2014/05/01/vom-rand-der-welt-fra-hjara-veraldar/

an Melitta

I.
wir sind uns nie begegnet
denn du starbst fünf Jahre
bevor ich geboren wurde
in Island wo ich nie war

begraben liegst du in Purkersdorf
wo Verwandte von mir leben

wir sind uns nie begegnet
doch in deinen Gedichten
bin ich dir begegnet

II.
sieben Winter nie endender Dunkelheit
hast du sie durchgebracht, deine Völker, Melitta,

importiert aus dem Kaukasus weil dort
die Lebensbedingungen vergleichbar hart
nur nicht so dunkel sind

Melitta, die Biene, die als Robinson alleine
mit den drei Kindern ihrem Mann nachfolgte
und auf der Vulkaninsel im Eismeer strandete

aber eine Biene kann nicht alleine sein, sie braucht
ihren Schwarm mit dem sie sich tanzend
unterhalten kann und der sie wärmt im Winter

sieben Winter hast du sie durchgebracht, deine Völker, Melitta