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Schamrock-Salon Kinder können dichten, 25. 7. 2010 * Münchner Merkur

Kreative Kinder braucht das Land

Salon der Dichterinnen: Lydia Daher und Andrea Heuser wollen Jugendlichen Lust auf Lyrik machen Mit Lyrik die Gesellschaft bereichern das ist erklärtes Ziel von Gabriele Trinckler und Augusta Laar, die seit 2009 viermal im Jahr ihren 'Salon der Dichterinnen' in der Pasinger Fabrik öffnen. Wie aber kann man die Gesellschaft mit Lyrik, insbesondere mit Lyrik von Frauen, bereichern, wenn das Publikum dafür ohnehin schon klein ist und außerdem nur ein winziges Spektrum der Gesellschaft abdeckt? ...

'Lust auf Lyrik' heißt ein Modellprojekt, das vom Münchner Lyrikkabinett ausgeht und Dichter und ihre Gedichte sowie die Lust aufs Selberdichten in die Schulen bringen will. Mit Andrea Heuser und Lydia Daher waren in der Pasinger Fabrik zwei Lyrikerinnen zu Gast, die im Rahmen dieses Projekts Workshops mit Jugendlichen durchgeführt haben, auch Anja Tuckermann dichtet mit Kindern und lässt sich von diesen zu ihren eigenen Texten inspirieren. In Zeiten, in denen Gedichte in der Schule immer noch als Strafarbeiten aufgegeben werden und in denen fast die Hälfte aller Eltern bekennen, sie würden ihren Kindern nie oder nur sehr selten vorlesen, hat es die Lyrik bei Jugendlichen schwer, berichteten die Dichterinnen übereinstimmend. Kreative Kinder aber braucht das Land, so die Einschätzung von Gabriele Trinckler, denn Kreativsein formt die Persönlichkeit: 'Über kurz oder lang könnte davon die ganze Gesellschaft profitieren.'

Wären am Sonntag Jugendliche im Publikum gesessen, sie hätten wohl insbesondere durch Lydia Daher tatsächlich 'Lust auf Lyrik' bekommen: Die 30 Jährige, die in Augsburg lebt, wurde nämlich nicht nur für ihre Gedichte bereits mehrfach ausgezeichnet, sie gilt seit ihrer Debüt-CD 'Lydia Daher' auch als 'die Entdeckung der deutschen Popmusik'. Uber das erste Verliebtsein sei sie selbst zum Schreiben gekommen, ihre wundersam lapidaren Texte, für die sie 'Worte findet, nachts unter einer Cordhose', zeichnen sich durch ihre sehr leise Poesie und ihre ausgesprochen charmante Schnoddrigkeit aus: Sie sind kleine Alltagsbeobachtungen, 'Bettgedichte' oder einfach 'Gedichte gegen die Langeweile', ihre klugen Wahrheiten sind wie 'Windspiele aus Marmor' oder wie 'eine Pfütze mit drei Zigarettenstummeln'.

Mit Sprachklang, mit der Schönheit einzelner Worte, aber auch mit der Musik von Wortfolgen bestechen die Gedichte der Literaturwissenschaftlerin Andrea Heuser: Mit 'Löwenzahnwiese, Ginster und Flieder' oder 'Kuchen, Limo und Beinen' entwirft sie bezaubernde Sommerwortbilder, mit 'Puppenköpfen, Förmchen und Pferden' beschwört sie die Kindheit, sie schreibt in ihrer 'Altkleidersprache' über den Zauber, der sich zuweilen zwischen 'Gartenschaukel' und 'Hintertür' versteckt.

Die Kindheit mit ihren Traum und Bilderwelten lebt auch in den Gedichten von Anja Tuckermann weiter: Sie erzählt von einem 'alten Kater im Dorf auf dem Hügel' und von der 'Schildkröte, die es sich unter ihrem Panzer gemütlich macht'. Sie besucht 'Zwerge, die unter Wurzeln wohnen' und lässt 'ein Gewitter auf langen dünnen Beinen über den Berg wandern.'